
Trauer und Diversity
Trauer, Vielfalt und die Frage nach Sensibilität
Trauer betrifft uns alle – und doch nicht auf gleiche Weise. Während manche in familiären Strukturen selbstverständlich aufgefangen werden, erleben andere Ausgrenzung, Unsichtbarkeit oder Machtspiele. Dieser Beitrag lädt dazu ein, genauer hinzusehen: Wie wirken gesellschaftliche Normen in der Trauer? Und wie können wir Räume öffnen, in denen Vielfalt auch im Angesicht des Todes respektiert wird?
Was hat Trauer im Bereich von Queer und BIPoC für Besonderheiten – und was bedeutet das für eine sensible Trauerarbeit?
Diese Frage bewegt mich, weil sie in unserer Gesellschaft kaum gestellt wird. Wie auch? Wenn Vielfalt im Leben selbst noch nicht selbstverständlich gelebt, gesehen und respektiert wird – wie soll sie dann im Sterben und in der Trauer selbstverständlich vorkommen?
Trauer ist universell – und doch nicht gleich
Trauer begleitet jede Kultur, jede Religion, jede Biografie. Ob im stillen Gebet, im Wehklagen, im gemeinsamen Mahl oder in der kontemplativen Stille: Trauer ist ein universelles menschliches Erleben. Und doch – die Bedingungen, unter denen sie gelebt wird, unterscheiden sich radikal.
Wer queer ist, wer Rassismus erfährt, wer mehrfach marginalisiert lebt, trägt eine andere Geschichte in die Trauer hinein. Erfahrungen von Abwertung, von Unsichtbarmachung, von Brüchen und Verletzungen. Sie wirken fort, auch – und gerade – im Moment des Abschieds.
Ausschluss in Zeiten der Trauer
In vielen Trauersituationen geschieht etwas, das exemplarisch zeigt, wie tief Machtstrukturen reichen: Mehrheiten rücken zusammen – und grenzen andere aus. Wer nicht in die heteronormative oder weiß dominierte Vorstellung passt, bleibt draußen.
Für queere Partner:innen, für Wahlfamilien, für BIPoC bedeutet das nicht selten: zusätzlich zum Verlust noch einmal schmerzhaft ausgeschlossen zu werden. Trauer wird normiert, in enge Bilder gepresst – und wer da nicht hineinpasst, erlebt Ausgrenzung. Mitunter demonstrativ, oft unbewusst, aber immer verletzend.
Es ist ein kollektiver Mechanismus: Ausgerechnet im Moment höchster Verletzlichkeit wird sichtbar, wer dazugehört – und wer nicht. Obwohl Trauer uns alle betrifft, wird sie genutzt, um Zugehörigkeit zu markieren und Macht zu sichern. Ein Akt der Ausgrenzung in der Stunde, in der Menschlichkeit am nötigsten wäre.
Rituale – Chance oder Instrument der Norm?
Rituale und Zeremonien sind in allen Kulturen Träger von Sinn und Gemeinschaft. Sie könnten die Chance sein, wirklich alle einzubeziehen, Unterschiedlichkeiten sichtbar zu würdigen. Ubuntu etwa erinnert: Ich bin, weil wir sind. Im Buddhismus steht Mitgefühl (Karuna) nicht unter Vorbehalt. Und Hannah Arendt mahnte das „Recht, Rechte zu haben“ an – auch dort, wo Zugehörigkeit bestritten wird.
Doch in der Praxis werden Rituale oft zum Gegenteil: zu einem letzten Mittel, um Normen zu demonstrieren. Wer spricht bei einer Trauerfeier? Wer darf vorne sitzen? Wer wird in der Traueranzeige genannt – und wer verschwiegen? Gerade hier zeigt sich brutal, wie gesellschaftliche Normen wirken – bis in den Tod und darüber hinaus.
Erste Schritte zu einer diversitätssensiblen Trauerarbeit
Es gibt bereits Gruppen und Initiativen, vor allem in größeren Städten, die queere und BIPoC-Trauerarbeit anbieten – und glücklicherweise auch online vernetzt sind (z. B. Memento Tag, Leben und Tod Freiburg, KulturTrauer – diversitätssensible Begleitung oder Community-Spaces wie SchwuZ Berlin). Das ist ein Anfang. Aber es reicht nicht.
Es braucht Räume, in denen jede Form von Beziehung anerkannt ist. Sprache, die Vielfalt sichtbar macht, statt sie zu verschweigen. Begleiter:innen, die Diskriminierungserfahrungen ernst nehmen und einbeziehen. Und das Bewusstsein, dass Resilienz hier nicht nur individuell, sondern auch kollektiv gedacht werden muss.
Meine Haltung
Mir ist es ein Anliegen, über das Sterben und den Tod hinaus auch die Vielfalt der Menschen zu respektieren – und umzusetzen. In meiner Arbeit als Coachin heißt das: Trauer nicht zu normieren, sondern zu fragen. Nicht anzunehmen, sondern zuzuhören. Räume zu öffnen, in denen jede*r so trauern darf, wie es dem eigenen Leben, der eigenen Geschichte entspricht.
Denn auch im Angesicht des Todes bleibt die Vielfalt bestehen. Und verdient Würde, Respekt und Anerkennung.
Reflexion: Wo berührt dich dieses Thema persönlich? Welche eigenen Bilder, Normen oder Mechanismen nimmst du bei dir selbst wahr – und wo erkennst du Möglichkeiten, Miteinander, Vielfalt achtsamer zu leben?
Alles Liebe, Mo
Angela Mohaupt - Coachin & psychologische Beraterin
Begleitung mit Haltung – für Wandel, Verbindung & innere Klarheit
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