Werder

Sprachlosigkeit

August 18, 20252 min read

„Wenn Trauer anderen die Sprache verschlägt“

Tod und Trauer sind Teil unseres Lebens.
So selbstverständlich wie Geburt, Liebe, Veränderung.
Und doch - in unserer Gesellschaft bleiben sie das große Tabu.

Norbert Elias beschrieb es in Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen (1982):
Wir haben Tod und Sterben an Institutionen delegiert -
und damit auch den direkten Umgang verlernt.

Ich erlebe es immer wieder:
Menschen, die beim Berühren dieses Themas nicht in Kontakt gehen -
sondern ausweichen.
Sie entschuldigen sich:
„Sorry, ich weiß nicht, wie ich reagieren soll.“
Und lassen die Trauernden damit allein.

Es bleibt nicht bei diesem Eingeständnis.
Oft folgen Kompensationen:
Ein überdrehtes Lachen, unpassende Albernheit,
Gesprächsthemen, die ins Banale flüchten,
manchmal auch Übergriffigkeiten oder betretenes Schweigen.

Elisabeth Kübler-Ross (Interviews mit Sterbenden, 1969) hat schon gezeigt,
wie groß die Unsicherheit ist, wenn wir uns dem Tod nicht stellen.
Die Verdrängung schützt - aber sie entfremdet auch.

Das Tragische:
Trauernde sollen in solchen Momenten auch noch Verantwortung übernehmen -
höflich bleiben, Rücksicht nehmen,
sich anpassen an die Unsicherheit der anderen.
So entsteht doppelter Schmerz:
der Verlust selbst -
und das Gefühl, dass er keinen Platz haben darf.

Doch Trauer ist kein Störfaktor.
Wut ist kein Makel.
Tod ist keine Ausnahme, sondern Normalität.

Roland Kachler (Meine Trauer wird dich finden, 2005) zeigt eindrücklich,
wie wichtig es ist, Trauer in Verbindung zu leben -
statt sie zu pathologisieren oder zu überspielen.

Und Viktor Frankl erinnerte in …trotzdem Ja zum Leben sagen (1946):
Auch im Angesicht des Unausweichlichen können wir Sinn finden.
Nicht im Warum, sondern im Trotzdem.

Byung-Chul Han betont in Die Errettung des Schönen (2015):
Es sind Stille und Resonanz, die uns öffnen -
dort, wo Worte fehlen und nur das Mit-Sein trägt.

Und Aleida Assmann zeigt in Formen des Vergessens (2016),
wie entscheidend Erinnerungskultur für unser Leben ist:
Was wir verschweigen, prägt uns genauso wie das, worüber wir sprechen.
Auch Familien, die über Generationen Tod und Verlust nicht ansprechen,
vererben damit Sprachlosigkeit weiter.

Die Frage ist also nicht, ob wir mit Trauer umgehen.
Sondern wie.

Wir alle haben die Möglichkeit, etwas zu verändern:
indem wir still aushalten,
ehrlich benennen, was wir fühlen,
oder schlicht anwesend sind -
ohne die Flucht in Albernheit oder Schweigen.

Was wäre, wenn wir die Ausrede
„Ich weiß nicht, wie“
ersetzen durch die Einladung:
„Zeig mir, wie ich dir beistehen kann“?

Trauernde brauchen keine Entschuldigung für Sprachlosigkeit.
Sie brauchen Gegenüber, die bereit sind,
ihre eigene Angst vor dem Tod anzusehen -
und in Begegnung zu bleiben.

Das ist kein einfacher Weg.
Aber er ist notwendig.
Denn Tod und Trauer sind kein Ausnahmezustand.
Sie sind Teil des Lebens.

In Liebe,

Mo

Angela Mohaupt - Coachin & psychologische Beraterin
Begleitung mit Haltung – für Wandel, Verbindung & innere Klarheit

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